Ganz großes Theater begeistert mit kleinsten Mitteln

In der Adolf-Spieß-Halle in Lauterbach hatte das Bühnengeschehen nach wenigen Sekunden die ganze Aufmerksamkeit des jungen Publikums gefangen und die unvergessliche Aufführung „Das entwaffnende Pferd“ des Papiertheaters Nürnberg nahm ihren Lauf.

Neun Klassen aus Lauterbach und Schlitz waren der Einladung von Soroptimist International (SI) Lauterbach-Schlitz zum Schultheater „Das entwaffnende Pferd“ gefolgt, das im Rahmen des Projektes „Nie wieder Krieg!“ nach dem Corona-bedingten Ausfall im letzten Jahr endlich stattfinden konnte, wenn auch unter strengen Corona-Auflagen. Projektleiterin Ute Kirst hatte die Ankunft der vielen Kinder gut organisiert, das Team aus Helfer*innen hatte kaum Arbeit, die Kinder an ihre zugewiesenen Plätze zu bringen: Die maximal zulässige Anzahl von 200 Sitzplätzen war von einem erwartungsvollen Publikum bis zum letzten Stuhl besetzt.

Vor einer schlichten Holzwand stellten Johannes Volkmann und Arnd Schimkat die Frage: „Überall ist Krieg – wie entsteht der eigentlich?“ und beantworteten diese umgehend durch ihr Spiel mit wenigen Requisiten. Nägel und Schrauben wurden zum Stein des Anstoßes zwischen den Darstellern, und das Publikum war sofort emotional dabei. Eine Situation, die alle wiedererkannten - „Nimmst du dir meins, dann krieg ich deins“ - wuchs von der spielerischen Auseinandersetzung zweier Freunde, die sich mit Vornamen nannten, zum handfesten Streit, der nicht auf der Bühne blieb, sondern die Gefühle der Kinder hörbar mitzog. Eine mit zwei Nägeln und einer Schnur gezogene Grenze auf der Holzwand wurde zur „Schlachtlinie“. Nägel und Schrauben hinter sich lassend, griffen die Kontrahenten jetzt zu anderen Mitteln, und mit Malerpinsel und Farbe „bewaffnet“ kämpften nun Grün und Rot um die Vorherrschaft. “Krieg beginnt immer mit einer Lüge“, sagte Darsteller Rot, und folgerichtig teilte „Propaganda“ über die „beste Farbe“ den Saal in „Anhänger“ von Rot oder Grün. Jeweils drei Kinder durften den mittlerweile „verfeindeten“ Farbseiten auf der Bühne bei ihrem Farb-Kampf unter großer Anfeuerung ihrer „Gefolgsleute“ helfen. Die wachsenden Emotionen wurden zum „dritten Darsteller“ und verbanden die Menschen auf der Bühne und im Saal in einem dichten, quasi saalfüllenden Geschehen – bis schließlich ein „Übergriff“ von Darsteller Rot – ein Farbklecks mit dem Pinsel im Gesicht von Darsteller Grün - die „Eskalation“ bedeutete.

Die bis dahin gestiegenen Emotionen brachen schlagartig in sich zusammen. „Verletztheit“ und „Traurigkeit“ beherrschten die Szene, und mit „Spiel mir das Lied vom Tod“ einer Spieluhr war der erste Akt des Theaters abgeschlossen und die Frage, wie Krieg eigentlich entsteht, eindrücklich beantwortet. Versöhnliche, tröstende Gesten zwischen den „verfeindeten“ Darstellern auf der Bühne zeigten dem Publikum, dass sich die Geschichte nun wandeln würde. Die Schauspieler zogen sich hinter die Wand zurück, Werkzeuge übernahmen die Handlung: Bohrer, Handsäge, Stichsäge und schließlich trug das ausgesägte Stück die Umrisse eines Pferdes.

Volkmann fragte die Kinder, wie denn Frieden entstehen würde, und zahlreiche Antworten zeigten eindrücklich, wie gut das Publikum verstanden hatte, was auf der Bühne geschehen war: „Gut sein!“, „Sich entschuldigen!“, „Alles wieder zurückgeben!“, „Nicht streiten!“ – was Volkmann dann mit den Worten „Frieden entsteht durch friedliche Handlungen!“ zusammenfasste.

Das ausgeschnittene Pferd wurde nun zur Geschichte um das trojanische Pferd mit verändertem Ausgang: „Krieg“, so Volkmann, „verwandeln wir in der neuen Geschichte in Frieden. Wir verändern die Perspektive.“ Er erzählte zunächst die bekannte Geschichte aus der antiken Sagenwelt, und setzte dann, gemeinsam mit Schimkat, ein ganz neues Ende, in dem sie aus der Holzwand eine Kiste eine Sammelstelle für Waffen bauten. So entstand vor den Augen der Kinder das „entwaffnende Pferd“, das Abrüstung ermöglicht und allen Kindern dabei helfen wird, weil es alle Spielwaffen aus Plastik in sich sammeln kann. Tosender und minutenlanger Applaus zeigte den Darstellern, wie viel sie in den Kindern – und den anwesenden Erwachsenen – bewegt hatten. Volkmann bedankte sich ausführlich beim begeisterten Publikum, und auch explizit bei Ute Kirst, denn „ohne Menschen, die das vor Ort möglich machen und organisieren, können wir nicht auftreten.“ Zu danken war auch Norbert Ludwig, der für die ideale Ausleuchtung und Tontechnik sorgte.

Die Sammelbox „Das entwaffnende Pferd“ wird an den beteiligten Schulen aufgestellt; zunächst an der Schule an der Wascherde, dann weiter zur Dieffenbachschule Schlitz und schließlich zur Eichbergschule. Aus den gesammelten Plastikwaffen wird später eine Friedenssäule zusammengeschmolzen, die an vielen Orten aufgestellt werden. Eine Friedenssäule steht bereits auf dem Reichstagsgelände in Nürnberg, eine weitere in Rumänien. Kinder aus der ganzen Welt waren bei der Aufstellung anwesend.

Das Projekt „Plastikwaffen zu Friedenssäulen“ des Papiertheater Nürnberg nahm seinen Anfang auf der Gipfel-Konferenz der Kinder, die bereits seit 2014 regelmäßig stattfindet. Die teilnehmenden Kinder aus aller Welt wollten unter dem Top „Kriege stoppen – Waffen abschaffen“ ihrem Wunsch nach Frieden Ausdruck verleihen. Das Theaterstück entstand ebenfalls in Folge der Konferenz der Kinder, und tourt seit längerer Zeit in Deutschland, wo es überall eine Kiste zum Sammeln von Plastikwaffen hinterlässt. Das kleine Team besteht nur aus wenigen Verantwortlichen: Johannes Volkmann (Konzept, Projektleiter, Darsteller), Arnd Schimkat (Regisseur, auch Darsteller), David Schuster und Cihan Kente, (beide Darsteller). Nur zwei Aktive bereisen jeden Bühnenort und übernehmen Aufbau und natürlich das Theaterstück.

Weitere Infos: www.daspapiertheater.de, www.konferenz-der-kinder.de, sowie zahlreiche Videos auf Youtube

Auch das SI-Projekt „Nie wieder Krieg!“ ist nun offizielle Sammelstelle für Plastikwaffen. Alle weiteren Infos zu „Nie wieder Krieg!“ unter www.niewiederkrieg.net.

„Nie wieder Krieg!“ wird vom Bundesprogramm „Demokratie leben!“ unterstützt.

 

Fotos: Ruben König

»Nie wieder Krieg!«  -  Mitmach-Kunst-Aktion des Service-Clubs
Soroptimist International Lauterbach-Vogelsberg e.V.

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